
Anklage wegen Besitzes durch Minderjährige: Strategien zur Verteidigung
Erste Schritte nach einer Anklage
Der Erhalt einer Vorladung oder Anklage wegen des unerlaubten Besitzes von Alkohol als Minderjähriger (oft als "Minor in Possession" oder MIP bezeichnet) ist eine ernste Angelegenheit. Die unmittelbare Reaktion kann den weiteren Verlauf des Verfahrens maßgeblich beeinflussen. Das Wichtigste ist, ruhig zu bleiben und seine Rechte zu kennen. Sie haben das Recht zu schweigen. Nutzen Sie es. Seien Sie den Polizeibeamten gegenüber höflich und kooperativ, aber geben Sie keine Schuld zu und machen Sie keine Aussagen, die Sie belasten könnten. Sätze wie "Es war nur ein Bier" oder "Meine Freunde haben mich dazu überredet" sind bereits ein Schuldeingeständnis.
Dokumentieren Sie unmittelbar nach dem Vorfall so viele Details wie möglich. Notieren Sie sich:
- Datum, Uhrzeit und genauen Ort des Geschehens.
- Die Namen und Dienstnummern der beteiligten Beamten, falls bekannt.
- Eine genaue Chronologie der Ereignisse: Was führte zum Kontakt mit der Polizei? Was wurde gesagt und von wem?
- Namen und Kontaktdaten von eventuellen Zeugen.
- Wurde eine Durchsuchung durchgeführt? Wenn ja, wo (Person, Rucksack, Fahrzeug) und mit welcher Begründung?
Den Fall Verstehen: Was bedeutet "Besitz"?
Um eine Verteidigung aufzubauen, ist es entscheidend zu verstehen, was der Gesetzgeber unter "Besitz" versteht. Die Staatsanwaltschaft muss zweifelsfrei nachweisen, dass Sie Alkohol im Besitz hatten. Juristisch wird hierbei zwischen zwei Arten des Besitzes unterschieden, und beide erfordern den Nachweis, dass Sie wissentlich gehandelt haben.
Tatsächlicher Besitz
Vom tatsächlichen Besitz (actual possession) spricht man, wenn Sie die Substanz direkt bei sich tragen. Dies ist der einfachste Fall für die Anklage. Beispiele hierfür sind eine Flasche Alkohol in Ihrer Jackentasche, eine offene Dose in Ihrer Hand oder Alkohol in einem Rucksack, den Sie auf dem Rücken tragen. Hier ist der direkte physische Kontakt oder die unmittelbare Kontrolle über den Gegenstand gegeben.
Konstruktiver Besitz
Der konstruktive Besitz (constructive possession) ist komplexer und bietet oft mehr Ansatzpunkte für eine Verteidigung. Dieser liegt vor, wenn sich der Alkohol an einem Ort befindet, über den Sie die Kontrolle oder Herrschaftsgewalt ausüben, auch wenn Sie ihn nicht direkt berühren. Ein klassisches Beispiel ist Alkohol im Handschuhfach oder Kofferraum Ihres Autos. Der Knackpunkt ist, dass die Staatsanwaltschaft beweisen muss, dass Sie wussten, dass der Alkohol dort war, und dass Sie die Absicht hatten, die Kontrolle darüber auszuüben. Wenn Sie beispielsweise als Beifahrer in einem fremden Auto mitfahren, in dem sich Alkohol befindet, kann argumentiert werden, dass Sie keinen konstruktiven Besitz hatten, da Sie weder wussten, dass er da ist, noch Kontrolle darüber hatten.
Entwicklung einer Verteidigungsstrategie
Eine Verurteilung wegen unerlaubten Besitzes kann weitreichende Folgen haben, von Geldstrafen und Führerscheinentzug bis hin zu negativen Auswirkungen auf Studienplatz- und Berufschancen. Daher ist die Entwicklung einer soliden Verteidigungsstrategie unerlässlich.
Anfechtung der Durchsuchung und Beschlagnahme
Eine der wirksamsten Verteidigungslinien ist die Infragestellung der Rechtmäßigkeit der polizeilichen Maßnahmen. Die Polizei darf Sie nicht ohne Grund anhalten und durchsuchen. Es muss ein sogenannter "begründeter Verdacht" (reasonable suspicion) für den Stopp und ein "hinreichender Tatverdacht" (probable cause) für eine Durchsuchung ohne Ihre Zustimmung vorliegen. Haben die Beamten Sie beispielsweise wegen eines defekten Rücklichts angehalten und dann ohne weiteren Anlass Ihr gesamtes Fahrzeug durchsucht? Oder haben sie Sie auf der Straße angehalten, nur weil Sie jung aussahen? Wenn die Durchsuchung unrechtmäßig war, können alle dabei gefundenen Beweismittel – in diesem Fall der Alkohol – vom Gericht als unzulässig erklärt werden (fruit of the poisonous tree). Ohne Beweismittel hat die Staatsanwaltschaft in der Regel keinen Fall.
Infragestellung des "Besitz"-Elements
Wie bereits erwähnt, muss die Anklage den Besitz nachweisen. Hier gibt es oft Raum für Argumente. Waren Sie nur auf einer Party, auf der Alkohol konsumiert wurde, hatten aber selbst nichts in der Hand oder in Ihrer Nähe? Saßen Sie in einem Auto, das einem Freund gehörte, und wussten nichts von den Bierdosen unter dem Sitz? Die bloße Anwesenheit an einem Ort, an dem sich Alkohol befindet, begründet noch keinen Besitz. Ein Anwalt kann helfen, die Fakten so darzustellen, dass das Element des wissentlichen Besitzes nicht zweifelsfrei nachgewiesen werden kann.
Alternative Programme und Vereinbarungen
Besonders für Ersttäter gibt es oft Möglichkeiten, eine formelle Verurteilung zu vermeiden. Viele Gerichtsbarkeiten bieten sogenannte Diversionsprogramme oder eine aufgeschobene Urteilsverkündung (deferred adjudication) an. Im Rahmen solcher Programme erklärt sich der Angeklagte bereit, bestimmte Auflagen zu erfüllen. Dazu können gehören:
- Ableistung von Sozialstunden
- Teilnahme an einem Aufklärungskurs über Alkoholmissbrauch
- Regelmäßige Drogentests
- Eine Bewährungszeit ohne weitere Rechtsverstöße
Die Wichtigkeit rechtlicher Vertretung
Der Versuch, sich allein gegen eine MIP-Anklage zu verteidigen, ist selten eine gute Idee. Das Strafrecht ist komplex, und ein erfahrener Anwalt für Straf- oder Jugendstrafrecht kennt die lokalen Gesetze, die zuständigen Staatsanwälte und Richter sowie die üblichen Verfahrensweisen. Ein Anwalt kann den Polizeibericht und alle Beweise prüfen, um Schwachstellen in der Argumentation der Anklage zu finden. Er kann die Rechtmäßigkeit der Durchsuchung bewerten und gegebenenfalls einen Antrag auf Unterdrückung von Beweismitteln stellen. Darüber hinaus ist ein Anwalt der beste Verhandlungspartner, um mit der Staatsanwaltschaft eine günstige Einigung, wie die Teilnahme an einem Diversionsprogramm, zu erzielen. Die Investition in einen qualifizierten Rechtsbeistand ist oft geringer als die langfristigen Kosten, die mit einer Vorstrafe verbunden sind.
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